60 Tage vor dem Start der zweiten World Mountain and Trail Running Championships 2023 Innsbruck-Stubai hatten wir die Möglichkeit, uns mit Tomo Šarf, dem Präsidenten der World Mountain Running Association (WMRA), zu unterhalten.
Tomo, welche Lehren können deiner Meinung nach mit Rückblick auf die WMTRC im thailändischen Chiang Mai im letzten November gezogen werden?
Nun, ich würde behaupten, dass die Organisatoren einen großartigen Job gemacht und faire Wettbewerbe veranstaltet haben. Insgesamt waren wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden, aber ich bon weit davon entfernt, diese Weltmeisterschaften mit anderen zu vergleichen und das hat gleich mehrere Gründe. Thailand hat die ersten WMTRC in schwierigen Zeiten auf die Beine gestellt und musste aufgrund von COVID gleich zweimal verschieben. Die WMTRC fanden in einem Teil der Welt statt, der sich sowohl hinsichtlich Mentalität als auch Kultur von Europa unterscheidet und wo die Erfahrungen im Berglauf und Trailrunning anders, wenn nicht sogar limitierter sind. Zu guter Letzt waren die Route und das Klima für alle Teilnehmenden herausfordernd. Daher möchte ich mich noch einmal beim lokalen Organisationskomitee für seinen Einsatz bedanken.
Innsbruck-Stubai wird anders sein …
… auch hier möchte ich wieder keinen Vergleich ziehen. Österreich hat natürlich eine Berglauf-Tradition und von vergangenen Veranstaltungen kenne ich die Austragungsorte sehr gut. Wir können uns alle auf wunderschöne Landschaften, Natur und Routen freuen. Und wir wissen, dass die Organisatoren eine professionelle, freundliche und zugleich emotionale Veranstaltung auf die Beine stellen werden. Ich bin sicher, dass das lokale Organisationskomitee alles unter Kontrolle hat – und in Bereichen, wo unsere Expertise gefragt ist, helfen wir gerne. Ich gehe davon aus, dass, wie üblich, nur eine Sache außerhalb unserer Kontrolle liegt, und das ist das Wetter. Für jeden einzelnen von uns hoffe ich auf gutes Wetter. Und ich hoffe, dass es keine unangenehmen, unvorhersehbaren Situationen wie Unfälle, schwere Verletzungen und so weiter geben wird.
Was sind für die WMRA die größten Vorteile des WMTRC-Formats aus organisatorischer, nachhaltiger und wirtschaftlicher Sicht?
Interessanterweise sah sich die WMRA bereits vor 20 Jahren mit einer ähnlichen Situation wie heute konfrontiert. Wir fingen in den 1990er an, eine europäische Berglaufmeisterschaft zu organisieren und 2001 wurde die Veranstaltung an die European Athletics (EA) übergeben. Einige im Verband empfanden dies beinahe als Katastrophe, da das „Produkt” von der WMRA entwickelt worden war und wir plötzlich die Kontrolle darüber verloren. Ich persönlich habe es eher als Schritt nach vorne gesehen, da die European Athletics den Berglauf als attraktiven Sport erkannt und viel Energie hineingesteckt haben. Während der ersten Jahre unterstützten Experten von der WMRA als „Kommissionsmitglieder der European Athletics” und „technische Abgesandte”, aber nach einer Weile war das nicht mehr notwendig.
Ich habe ähnliche Ansichten zur Veranstaltung auf globaler Ebene. Ja, die WMRA hat sowohl die Kontrolle als auch die Unabhängigkeit verloren, aber unsere Meisterschaften werden nun auf höherer Ebene anerkannt. Was für mich persönlich sogar noch wichtiger ist, ist die Tatsache, dass meine „Berglauf-Träume” endlich Realität werden: Ich hoffe, dass die Partnerschaft verschiedener internationaler Verbände dazu führt, dass in Zukunft Trailrunning und Berglaufen nicht mehr als zwei unterschiedliche Sportarten angesehen werden. Es ist ein großer, wichtiger Sport und wir müssen einfach einen passenden Begriff finden. Meiner Meinung beschreibt die Wortwahl der EA den Sport sehr gut: Off-Road-Championships.
Ich hoffe außerdem, dass wir einige Änderungen im Programm vornehmen werden, damit die Veranstaltung bereits in naher Zukunft interessanter wird. Staffelläufe könnten ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sein. In Sachen Nachhaltigkeit möchte ich darauf hinweisen, dass der Berglauf und alle Menschen, die mit diesem Sport verbunden sind, egal, ob Läufer oder Organisatoren, schon immer naturverbunden waren, sodass ihnen die Erhaltung von Umwelt und Natur besonders am Herzen liegt. Nachhaltigkeit, ökologischer Fußabdruck und Vermächtnis sind für uns also keine neuen Konzepte.
Das neue Format World Mountain and Trail Running Championships hat natürlich zahlreiche Änderungen mit sich gebracht – für die WMRA, für die Läufer, für die potenziellen Organisatoren und andere Beteiligte, wie Sponsoren oder Medienvertreter. Am Ende des Tages überwiegen jedoch zwei positive Aspekte: Erstens werden wir alle zu verstehen beginnen, dass Berglauf und Trailrunning einfach zwei verschiedene Arten desselben Sports sind, wenn auch mit definierten Unterschieden. Andererseits erreicht unser Sport damit eine neue Ebene, sowohl was das Organisatorische als auch die Beziehungen zu den Interessenvertretern sowie die mediale Sichtbarkeit und andere Dinge betrifft.
Wie ist die Beziehung zwischen der WMRA und der Internationalen Trail Running Association (ITRA)? Die WMRA ist älter und etablierter, die ITRA erfreut sich größerer Aufmerksamkeit aufgrund der Mitgliederzahlen innerhalb der Trailrunning-Szene.
Sowohl die Wurzeln als auch die Säulen von WMRA und ITRA sind komplett unterschiedlich – das ist Fakt. Während der vergangenen 35 Jahre hat sich die WMRA hauptsächlich auf die Entwicklung des Sports und seines internationalen Wettbewerbssystems konzentriert und hat damit begonnen, als die Sportart noch in den Kinderschuhen steckte. Die ITRA erschien erst viel später auf der Bildfläche, war auch getrieben von wirtschaftlichen Interessen zu einer Zeit, als diese Art des Outdoor-Sports bereits stark im Wachstum begriffen war und viele Menschen nach neuen Herausforderungen suchten. Ohne respektlos klingen zu wollen, muss ich doch sagen, dass viele „auf den Trailrunning-Zug aufgesprungen sind”. Es ist, was es ist. Heutzutage glaube ich, dass wir bei der WMRA und der ITRA diese beiden Outdoor-Sportarten gemeinsam entwickeln wollen, während wir nach wie vor grundlegende Spezifikationen von Trailrunning und Berglaufen beibehalten. Wenn die Zeit dafür reif ist, wäre eine Fusionierung der beiden internationalen Verbände die schlüssigste Option für unseren Sport.
Doch was auch immer kommen mag: Die Zukunft gehört uns. Es liegt an uns, sie zu gestalten und zu formen.