Gudrun Pflüger ist vierfache Berglauf-Weltmeisterin, Natur- und Artenforscherin – und Krebspatientin.
Sie war Skilangläuferin, trat im FIS-Weltcup an und holte auch den Gesamtsieg in der Skimarathonserie „Wordloppet“, und sie war eine, die sich nach ihrer sportlichen Karriere auf die Suche begab – auf jene nach kanadischen Wölfen. Es entstanden Dokumentarfilme wie „Auf der Spur der Küstenwölfe“ (2007), oder „Die Wolfsfrau“ (2009), und auch ein Bestseller, „Wolfspirit“ (2014).
Heute ist Gudrun Pflüger, die im August 2022 ihren 50. Geburtstag feierte, eine Frau, die in sich selbst ruht und weiß, dass der Krebs sie über kurz oder lang besiegen wird. Einmal, vor über 15 Jahren, hatte sie einem Gehirntumor Paroli geboten und „das Zusammentreffen mit den Wölfen hat mir damals Kraft gegeben“. Nun ist die Krankheit zurück, der Ausgang ungewiss.
Gudrun Pflüger ist eine Kämpferin, ihr ganzes Leben lang. Im selben Jahr, in dem Helmut Schmuck seinen ersten von zwei WM-Titeln im Berglauf holte, triumphierte sie zum ersten von vier Malen. In Italien 1992, Deutschland, genauer in Bayern, 1994, Schottland 1995 und Telfes in Tirol 1996 war im Vertical niemand schneller als sie, auch nicht die Französin Isabelle Guillot, ebenfalls vierfache Weltmeisterin und auch nicht die Britin Sarah Rowell, die heute Schatzmeisterin der WMRA ist. „Sie war eine herausragende Athletin“, erinnert sich Rowell zurück, „zu schade, dass wir bei den Wettbewerben wenig Kontakt miteinander hatten und abseits der Rennen, ohne gut funktionierendes Internet, ohne soziale Medien, der Draht noch schneller verloren ging.“
„Ich bin nur wenige Male bei den Berglauf-Weltmeisterschaften angetreten“, erzählt Pflüger heute, „und das war auch gut so. Ich wollte meinem Körper, der ja den ganzen Winter mit Ski-Langlauf beschäftigt war, nicht zu viel zumuten.“ Außer Frage steht für die gebürtige Grazerin, die in Radstadt heimisch geworden ist, dass der Berglauf ein sehr gutes Training für den Langlaufsport war, und sie lacht:
„Die WM-Medaillen, vier Gold, eine aus Silber (1993, Anm.), waren quasi ein Nebenprodukt. Der Berglauf hat mir jedenfalls auch mental gut getan, um das Training im Sommer gut durchzuführen und durchzustehen.“
Beim Kitzbüheler Horn-Bergstraßenlauf war ihr Stern mit einem Sieg aufgegangen, der österreichische Berglaufpapst Franz Puckl hatte sie daraufhin kurzerhand für die WM in Italien nominiert, weil eine andere Läuferin ausgefallen war. „Ich kann mich erinnern, dass im Team Austria ein sehr guter Spirit herrschte, doch der Kontakt mit Athletinnen aus anderen Ländern war eingeschränkt. Wir übernachteten nicht alle im gleichen Hotel und die Zeit war ja auch begrenzt. Es kam auch so weit, dass ich zuweilen nicht einmal die Möglichkeit hatte, mir eine Strecke vor dem Rennen anzusehen – was nicht immer ein Nachteil war, dann wusste ich auch nicht, was auf mich zukommen würde.“
Ihr Premieren-WM-Titel im Val di Susa stuft Pflüger besonders hoch ein, wegen der begeisterten und feiernden Zuschauer:innen, und wegen eines Fans, der ihr aus einem großen Stück Trüffel ein kleines Stück heraus schnitzte: „Es war alles so einfach, normal, bodenständig und deswegen etwas Besonderes.“
Einfach und normal ist Pflüger trotz ihrer Karriere für den Natur- und Artenschutz geblieben. Die Medaille hängen im Stiegenhaus, Staub sammelt sich auf ihnen und Spinnen verweben sie mit anderen Insignien des Erfolgs. „Wenn dann Film-Teams kommen, ist mir das ein wenig peinlich, und ich versuche, im allerletzten Moment noch zu putzen, was ich putzen kann.“
Die Erinnerungen an die Vergangenheit sind schön und geben Kraft. „In meinem Leben heute bin ich so weit weg von jenem damals – ich kann ja nicht mehr ganz normal gehen“, sagt Pflüger.
„Doch die Vergangenheit ist unglaublich wichtig für meine Gegenwart, ohne den Sport, ohne meine Begegnungen mit den Wölfen gäbe es mich heute schon nicht mehr. Es ist meine mentale Einstellung, die meine Verfassung beeinflusst.“
Ob sie bei den World Mountain and Trail Running Championships in Innsbruck-Stubai dabei sein wird, ist unklar, wenn, dann nur mit Begleitung. „Es ist sehr schön, dass die WM wieder nach Österreich kommt, ich habe all die Jahre auch immer wieder verfolgt, wie herausragend sich Andrea Mayr schlägt (zehn WM-Medaillen seit 2004, Anm.), obwohl wir nie direkt in Kontakt getreten sind. Und klar, es wäre schön, vor Ort dabei zu sein.“