Für Sarah Rowell, Schatzmeisterin des Berglauf-Weltverbands WMRA und einst Weltspitze auf der Straße und in den Bergen, verschmelzen die Definitionen der beiden Sportarten. Der Zug Richtung Olympia ist für die Engländerin ebenfalls bereits unterwegs.
Weltklasse auf der Straße und in den Bergen, eine Teilnahme bei Olympia, eine WM-Silbermedaille im Berglauf, Sportwissenschaftlerin, Buchautorin und aktuell Schatzmeisterin der World Mountain Running Association (WMRA) – all das beschreibt die Engländerin Sarah Rowell. Nur ihr Deutsch kann mit ihren Erfolgen im Leben nicht mithalten, obwohl sie in Hostert in Deutschland aufgewachsen ist. Einem kleinen Ort in Nordrhein-Westfalen, wo die Nachbargemeinden so klingende Namen wie Kirspelwaldniel und Eschenrath tragen. „Mein Vater war beruflich ein paar Jahre dort, ich habe aber nie wirklich Deutsch gelernt“, sagt Rowell.
Vielmehr hat sie Laufen gelernt. Buchstäblich. Schon mit 20 ist sie den London-Marathon 1983 in 2:39:11 Stunden gelaufen. Nur zwei Jahre später hat sie die Zeit an selber Stelle um mehr als elf Minuten auf 2:28:06 gedrückt. Dazwischen liegen Marathon-Gold bei der Universiade im kanadischen Edmonton und die Teilnahme an den Olympischen Spielen von Los Angeles 1984. Dann aber begann das linke Bein Probleme zu machen. „Ich bekam Krämpfe und das Bein hat nicht mehr richtig funktioniert, besonders auf glatten, flachen Strecken“, erinnert sich Rowell. Auch mehrere Operationen konnten das nicht beheben. Also suchte sie Alternativen. Dann verschlug es die Sportwissenschaftlerin beruflich in den Norden Englands. „Und dort habe ich angefangen, auf Berge zu laufen.“ Das hat das Bein mitgemacht. Platz 4 bei ihrer Premiere 1989 in Chatillon-en-Diois, Platz 5 bei der WM 1990 in Telfes und die Silbermedaille zwei Jahre später in Susa (Italien) sind die Folge.
Heute ist sie Schatzmeisterin der WMRA. „Das mache ich, weil es mir gefällt, und um dem Sport und den nächsten Athleten-Generationen etwas zurückzugeben. Und natürlich, weil ich sehr gerne in den Bergen bin.“ Auch viele Jahre nach ihrer aktiven Karriere hat sie den Blick einer Athletin auf den Sport. „Berglaufen und Trailrunning sind für mich eine einzige Leichtathletik-Disziplin. Die Definitionen verschmelzen ja oft. Zum Beispiel: Im Berglaufen gab es einen Langdistanz-Bewerb über 40 bis 44 Kilometer. Im Trailrunning gibt es den Trail Short über eine sehr ähnliche Distanz“, sagt Rowell und lacht. „In einem Jahr werden Athleten das Mountain Classic laufen und im nächsten Jahr den Trail Short. Bis auf die Distanzen und ein paar Regeln bei der Pflichtausrüstung ist es derselbe Sport.“
Daher freut sie sich besonders darüber, dass die ersten World Mountain and Trail Running Championships im November 2022 in Thailand schon ein Erfolg waren und sie freut sich umso mehr auf Innsbruck-Stubai. „Das ist klassisches, wunderschönes alpines Gelände, technisch, aber schnell zu laufen.“ Durch die gemeinsame Austragung steigt auch die öffentliche Wahrnehmung. „Die besten Läuferinnen und Läufer sollten die gleiche Aufmerksamkeit und die gleichen Prämien erhalten wie die besten Straßenläufer“, sagt Rowell. Weil die WMTRC-Premiere in Thailand aufgrund der Covid-Pandemie von 2021 auf 2022 verschoben werden musste, kam es zu einem Terminkonflikt mit den Berglauf-Europameisterschaften. Der fällt heuer weg, also werden die Weltmeisterschaften in Innsbruck-Stubai noch größer werden. „Es sind schon 1.500 Läufer aus mehr als 65 Nationen dabei und wir werden noch mehr Top-Stars als in Thailand sehen.“ Dazu streut sie dem Veranstalterteam Rosen und lobt die Strecken durch Innsbruck, mitten durch die Fans, aber auch die Trails und Bergstrecken. „Das einzige, bei dem wir noch ganz fest die Daumen drücken müssen, ist das Wetter“, sagt Rowell. Das kann sich im hochalpinen Gelände eben sehr schnell ändern. „Schlechtwetter ist gar nicht das Problem. Nur hoffentlich müssen wir Streckenführungen nicht ändern, oder gar Rennen abbrechen.“
Und die Zukunft des Sports? Liegt die in der Aufnahme ins olympische Programm? „Der Zug dorthin ist schon losgefahren und ich denke, bei allen Bedenken, was den Spirit betrifft: ein guter Mittelweg ist möglich – das sieht man an Snowboardern, Skateboardern und Surfern.“ Zum einen müsse ja niemand an Olympia teilnehmen. „Und zum anderen sind die internationalen Verbände in der Verantwortung, den Spirit zu erhalten.“
Rowell selbst läuft auch immer noch. Weniger bei klassischen Wettbewerben als bei den in Großbritannien populären „Mountain Marathons“, bei denen man zwei Tage lang mit dem Zelt unterwegs ist. Sie sitzt viel am Rad, geht schwimmen oder klettern. „Und ich mache Orientierungslauf, denn beim Kartenlesen kann man immer noch besser werden, auch wenn man nicht mehr so schnell laufen kann.“
Bei den World Mountain and Trail Running Championships in Innsbruck-Stubai wird sich auch live dabei sein. “Hoffentlich schon ein paar Tage vor dem Auftakt, damit ich die Gegend ein wenig erkunden kann.” Natürlich in Laufschuhen.