938. Das ist keine Startnummer, keine Postleitzahl, keine Telefonnummer. Es ist eine Zahl in einem Ranking, in jenem des Internationalen Trailrunning-Verbandes (ITRA), und es ist die Zahl von Jim Walmsley. Wer sich ein wenig auskennt, der weiß, was diese Zahl aussagt: absolute Weltklasse. Walmsley ist in dieser Wertung Zweiter (punktgleich mit Jonathan Albon, GBR, der ebenfalls in Innsbruck-Stubai dabei sein wird).
Zahlen, kann man auch sagen, sind Schall und Rauch. In der Szene ist Jim Walmsley so oder so eine große Nummer, er hat Klassiker wie den JFK 50 Meilen-Lauf, Lake Sonoma oder den Western State mehrfach gewonnen. Mehr noch, 2020 nahm er an der US-amerikanischen Olympia-Ausscheidung im Marathon teil und verpasste den 100-Kilometer-Weltrekord 2019 hauchdünn.
Der Mann aus Phoenix, Arizona, der vor wenigen Wochen in Istrien beim 100-Meilen-Wettbewerb unangefochten als Erster wurde, lebt in Frankreich und trainiert für ein Ziel: jenen Ultralauf rund um den Mont Blanc zu gewinnen, den zwar einige Frauen aus den USA auf Platz eins beendeten, aber noch kein Mann aus seinem Land für sich entscheiden konnte.
Dafür tut er alles. Die Teilnahme in Istrien war ein „business trip“, wie er selbst auf den sozialen Medien kommunizierte, um sich einen Startplatz zu sichern. Dafür plant er akribisch seine Wettkampf- und Trainingsphasen, und so gesehen passen die WMTRC besser in den Plan als beispielsweise der Lavaredo Ultra, der zwei Wochen später ausgetragen wird.
„Von Ende Juni sind es genau acht Wochen bis Ende August und Erfahrungswerte aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass der Zeitraum in diesem Vorbereitungsblock nicht ganz ideal ist“, erklärt der Amerikaner. „Wenn ich nun die Weltmeisterschaften bestreite, gewinne ich Zeit, was sich als positiv herausstellen sollte.“
Doch auch wenn das Saisonziel ein anderes sein soll, so nimmt Jim Walmsley, der am ersten Tag den Vertical und am dritten Tag den Trail Long bestreiten wird, seinen WMTRC-Auftritt absolut ernst. „Ich habe mich sehr lange mit dem Kursprofil beschäftigt und muss sagen: Die Strecke ist knallhart, in Relation zur Distanz weist sie mehr Höhenmeter auf als andere ikonische Rennen.“
„Ich bin extrem aufgeregt und motiviert, in Innsbruck-Stubai anzutreten!“
Also, was kann zum Ultra-Kurs gesagt werden? „Nun, zuerst einmal stellt sich die Frage, wie sehr du dich auf einer Strecke herausfordern willst, wie sehr du die bestmögliche und reinste Leistung abrufen willst, oder ob du es mehr taktisch anlegst und dennoch zu einem guten Ergebnis kommst“, sinniert Walmsley. „Wenn ich auf das Höhenprofil blicke, dann stechen die drei Anstiege mit 1200, 1500 und 1000 Höhenmetern am Stück heraus. Der erste ist irrelevant, du willst zwar nicht, dass ein anderer Läufer abhaut, aber du willst es relaxed laufen. Der zweite ist sehr wichtig, er geht auch sehr hoch hinauf – falls er überhaupt belaufen werden kann.“
Walmsley weiter. „Aber wie auch immer, die Entscheidung wird wohl nach der letzten großen Versorgung in Kranebitten an der Nordkette fallen. Die letzten 1000 Höhenmeter werden entscheiden.“ Der Superstar muss lachen: „Außer, Kilian Jornet wäre auch dabei, er würde wohl auf den letzten Downhill warten…“
Im Gegensatz zu anderen Läufern verzichtete Jim Walmsley auf Trainingstage auf den Laufstrecken. „Die technischen Anforderungen finde ich bei mir zuhause am Rande der Westalpen.“ Und er hofft auf gute Bedingungen: „Wenn es sonnig und schön ist, dann wäre es wohl das erste Rennen im Warmen, das wir alle bestreiten.“ Wir, das sind auch seine amerikanischen Teamgefährten, die Mannschaftsgold von Chiang Mai 2022 zu verteidigen haben. Das könnte mit Anführer Walmsley auch gelingen, „wir haben ein echt gutes Team, und dies unter der Prämisse, dass einige Läufer den Western States vorgezogen haben.“
Den World Mountain and Trail Running Championships steht der Weltmeister von 2019 aufgeschlossen gegenüber. „Die WMTRC werden wohl immer prestigereicher werden, mal schauen, welchen Stellenwert sie in fünf oder zehn Jahren haben werden.“ Einer WM in den USA kann der Laufstar indes nicht besonder viel abgewinnen: „Wir würden nicht jene ästhetischen Kurse bieten können, die es in Europa gibt, wir hätten auch nicht jene Atmosphäre, die die Zuschauer hier erzeugen – und vor allem: in viel zu vielen Ressorts und Berggebieten ist die Zahl der Aktiven aufgrund von Naturschutz- und anderen Regelungen eingeschränkt.“
Deswegen, große Innsbruck-Stubai-Freude bei Jim Walmsley. Und große Freude in der ganzen Trailrunning-Community, einen Weltstar auf den Trails Tirols bewundern zu können.
Kurz-Steckbrief
Jim Walmsley (USA), geboren am 17. Januar in Phoenix, AZ, lebt in Arêches, Frankreuich, in der Region Beaufortain, Hoka-Athlet. Größte Erfolge (Auswahl): 2014, 2015, 2016 (mit Streckenrekord) Sieger JFK 50 Meilen, 2017 Sieger Tarawera Ultramarathon, 2018, 2019 (mit Streckenrekord), 201 Sieger Western States, 2019 Trailrunning-Weltmeister.