2022 war gewissermaßen ihr Jahr des Umbruchs. 2022 wurde Ida-Sophie Hegemann zur Ultra-Trailläuferin, hatte ihre erfolgreichste Saison und reüssierte dort, wo sie es eigentlich gar nicht wollte: gestürzt in Kroatien, dafür den K110 beim Innsbruck Alpine gewonnen; dann, beim CCC, dem 100-km-Lauf der UTMB-Veranstaltungswoche, rammte ein Konkurrent seine Stöcke in das Gesicht der Deutschen, die später wegen anhaltenden Nasenblutens aus dem Rennen genommen wird – gewinnt sie eben Wochen später zum dritten Mal den Transalpine Run (in der Mixed-Wertung) und den „100er“ der UTMB-World Series in Nizza. „Hopp oder flopp lagen bei mir dieses Jahr nahe beieinander“, sinniert Hegemann, doch zuvorderst sieht sie die positiven Aspekte, die auf Enttäuschungen folgten: „Wäre nicht geschehen, was geschehen ist, hätte ich nicht gewonnen, was ich gewonnen habe.“
Und um im Konjunktiv zu bleiben: Hätte sich Ida-Sophie Hegemann, ein talentiertes Zukunftstalent des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), die bereits im Olympiastützpunkt Niedersachsen in Hannover trainierte, mit den Olympischen Spielen als Lebenstraum vor Augen, nicht eine Stressfraktur am rechten Mittelfuß zugezogen, dann wäre sie vielleicht nie auf den Trails gelandet. „Auf meinem Weg zurück bestritt ich 2017 erfolgreich einen Berglauf in Thüringen, daraufhin wurde ich von einem Sponsor zu einer Gästeetappe des Transalpine Runs eingeladen, von Lech nach St. Anton am Arlberg. Seitdem bin ich dem Laufen in der Natur verfallen, dafür habe ich auch olympische Ambitionen zur Seite gelegt.“
„Die Weltmeisterschaften in Innsbruck sind der größte Wettbewerb, den es für mich geben kann. Denn olympisch sollte Trailrunning lieber nicht werden.“
Dem Ansatz, Berglaufen und/oder Trailrunning im Zeichen der fünf Ringe auszutragen, kann die in Tirol heimisch gewordene Niedersächsin wenig abgewinnen: Rennen müssten dann vergleichbarer werden, und die Community müsste sich neuen Regeln und Gegebenheiten in Verbandsstrukturen anpassen.
Hegemann ist eine, die ihren eigenen Weg geht. Übersiedelt 2020 nach Innsbruck, studiert für den Master in Architektur, läuft und trainiert auf Trails, die zu den schönsten der Welt zählen, und vernachlässigt auch das Tempotraining im Flachen nicht: zu viele Höhenmeter, sagt sie, verdirbt die Geschwindigkeit. Doch um den Relationen gewahr zu sein: 2000 Hm in einer Woche sind wenige für sie, genauso, wie es auch lediglich 100 Kilometer in sieben Tagen sind. Sie läuft für das Internationale Team von The North Face und will auch nach ihrem universitären Abschluss in den Alpen bleiben, am liebsten in Innsbruck, und in einem Architekturbüro arbeiten.
Es sind Zukunftspläne, die von einem Ereignis überstrahlt werden. Die World Mountain and Trail Running Championships 2023 Innsbruck-Stubai werden von 6. bis 10. Juni in ihrer Wahlheimat ausgetragen, und Ida-Sophie will da unbedingt dabei sein. Zur WM in Thailand in diesem Jahr wollte sie nicht – Jahresplanung, Vorbereitungszeit, Trails, Klima haben diese Titelkämpfe nie zu einem Thema für sie gemacht -, doch Innsbruck-Stubai will sie nicht missen. „Der Long Trail, der sich auch in den Kalkkögel abspielt, bietet eine wunderschöne Strecke. Er ist grundsätzlich sehr fordernd mit technischem Gelände, vielen Up- und Downhills, aber auch sehr laufbaren Passagen.“
Hegemann hofft, dass sie auf dem Radar des DLV, der für die Nominierungen verantwortlich ist, aufscheint, und dass sie dabei sein wird. Ein Top-Ten-Rang wäre das Ziel, um zufrieden rausgehen zu können aus diesen Titelkämpfen. „Und sollte ich nicht für Team Germany aufgestellt werden, dann laufe ich in Innsbruck trotzdem. Beim IATF.“
Fotos: © Sportograf/sportograf.com
Kurz-Steckbrief
Ida-Sophie Hegemann, Deutschland, geboren am 21.3.1997 in Duderstadt, wohnhaft in Innsbruck, ist Athletin bei The North Face. Erfolge (Auswahl): 2019, 2021, 2022 Siegerin beim Transalpine Run (Frauen- und Mixed-Team), 2022: Siegerin beim K100 Nice Cote d’Azur by UTMB; Siegerin beim P45 Pitz Alpine Glacier Trail; Siegerin beim K110 Innsbruck Alpine Trail Festival; Fastest Known Time Dolorama Höhenweg; 2020: Fastest Known Time auf dem Stubaier Höhenweg; 2019: Siegerin beim Salomon 4 Trail, Siegerin Mont Blanc Marathon U23; 2018: Siegerin beim Basetrail XL Salomon Zugspitz Utratrail.