Beim Zieleinlauf trägt Andrea Mayr die österreichische Flagge in den Händen. Sie läuft über die Ziellinie, hält die Flagge nach oben, dreht sich um und lässt sich auf den Boden fallen. Die große Anstrengung mischt sich mit überbordender Freude – und Erleichterung: Ihr wahrscheinlich letztes internationales Rennen feiert die erfolgreichste Bergläuferin Österreichs mit einer letzten und ihrer elften Goldmedaille. In einem nervenaufreibenden Zielsprint baut sie ihren Vorsprung zur zweitplatzierten Kenianerin Philaries Jeruto Kisang am Ende auf 37 Sekunden aus. Den dritten Platz sichert sich die US-Amerikanerin Grayson Murphy.
„Ich habe am Elfergipfel meinen elften Einzeltitel gewonnen“, sagt Andrea Mayr. „Und dann noch Gold, das ist einfach so schön“, sagt sie überglücklich. Vor heimischem Publikum konnte sie ihrer Medaillen-Sammlung eine weitere hinzufügen. Beim heutigen ersten Wettbewerb in Innsbruck-Stubai zeigte die Region, warum sie der perfekte Austragungsort für diese WM ist. Vor einer eindrucksvollen Kulisse mit steilen Felswänden, hellblauem Himmel und Sonnenschein lieferten sich die Athletinnen und Athleten ein spannendes Rennen. An der Strecke versammelten sich viele Fans, auf der Elferhütte genossen sie nicht nur eine perfekte Aussicht auf den Zielsprint am steilen Grashang, sondern blickten bei bester Aussicht bis hin zum Stubaier Gletscher.
Am Anfang des Wettbewerbs hielt sich Mayr noch im Hintergrund, um Kräfte zu sparen. Die erste Steigung lief sie an achter, neunter Stelle. Nach einer kurzen, flacheren Passage spielte sie ihre Stärken dann aber voll aus und setzte sich an die Spitze der Läuferinnen, einen Vorsprung, den sie an der Autenalm bereits auf 33 Sekunden ausgebaut hatte. Im dann folgenden flachen Abschnitt der Strecke musste Mayr ihre Führung dann aber an die Kenianerin Philaries Jeruto Kisang abgeben.
„Ich habe geglaubt, dass mein Vorsprung größer wäre, aber dann ist sie an mir vorbeigelaufen“, sagt die 43-jährige Ärztin. „Ich dachte mir: Ok, ich bin Zweite, das wäre auch ein super Ergebnis. Aber natürlich wollte ich es schaffen.“ Mayr und ihre Konkurrentin aus Kenia lieferten sich am letzten Steilhang einen Zielsprint, der wirklich alles von den Athletinnen abverlangte. Andrea Mayr setzte sich durch. Unter Tränen dankte sie ihrer Mutter, die trotz Gehschwierigkeiten extra zum Zieleinlauf erschienen ist. Immer wieder brach sie in Jubel aus, winkte Zuschauern und Freunden zu. Noch vor dem Rennen galt sie als große Medaillenhoffnung für ihr Land bei den Weltmeisterschaften im Berglauf und Trailrunning.
Bei den Männern erfüllte auch Patrick Kipngeno seine Favoritenrolle mit einem überragenden Vorsprung von 1:33 Minuten auf seinen Verfolger Levi Kiprotich aus Uganda. Auf den dritten Platz lief Josphat Kiprotich aus Kenia. Wie die meisten Athletinnen und Athleten sprach auch Kipngeno davon, wie schwer und steil die Strecke gewesen sei. Obwohl das Rennen für ihn sehr hart gewesen sei, „bin ich sehr glücklich“, sagte er. Auch der mit Platz 29 schnellste Österreicher Manuel Innerhofer hob die Steilheit der Strecke hervor. „Das Rennen war nicht das, was ich erwartet hatte. Es war zu steil für mich.“ Die Strecke sei extrem eng gewesen und habe es schwer gemacht, andere zu überholen.