Es muss vor fünf oder sechs Jahren gewesen sein, als Denisa Dragomir zum ersten und bislang einzigen Mal in Innsbruck war. Doch es war ein Besuch, der nachhaltigen Eindruck bei der Rumänin hinterlassen hat. „Was für eine schöne Stadt, mit ihrem historischen Kern, und den Bergen in Griffweite“, schwärmt sie noch heute.

Dragomir kommt aus einem Teil Rumäniens, wo sich ebenfalls Urbanität mit der Natur verbindet, südlich der Karpaten, aus Transsylvanien oder Siebenbürgen. Ihre Heimatstadt Campulung wurde von sächsischen Siedlern mitgegründet, das Dracula-Schloss Bran liegt rund 30 Kilometer von ihrem aktuellen Wohnort Brasov entfernt.

So, wie Touristen in ihre Nähe kommen, reist Dragomir um die Welt, um die schönsten Laufgegenden zu entdecken und die wichtigsten Rennen (zuerst im Berg-, jetzt im Traillauf) zu gewinnen. Ihre Liste an Erfolgen ist beeindruckend, die Bandbreite – vom Vertical über den Trail bis zum Skyrun – ebenfalls. Und dabei hat ihre Laufkarriere vielleicht nicht zufällig, aber dennoch ungewöhnlich begonnen. „Ich war zehn, als ich meiner Cousine beweisen wollte, dass ich gleich schnell laufen kann wie sie“, blickt Denisa Dragomir zurück, „also schrieb ich mich bei einem Schulwettbewerb ein und wurde Dritte.“ Und dann war sie von der Schönheit des Laufens gefangen: zuerst flach, dann über Hindernisse. Vor zehn Jahren gewann die Rumänin die Junioren-EM im Crosslauf und wandte sich der Natur und den Bergen zu. Bergläufe und Skyruns folgten, in beiden Disziplinen zeigte Dragomir auf und holte Siege und Titel.

Seit 2014, als sie Siebte beim Sierre-Zinal in der Schweiz wurde, gehört sie zur Elite. 2019 wurde sie Skyrunning-Europameisterin, 2021 gewann sie die Skyrunning World Series, 2022 wurde sie in Chiang Mai in Thailand Weltmeisterin im Trail Short. „Es war ein perfektes Rennen“, sagt sie, „ich war nach einer Verletzungspause im Sommer hoch motiviert, ich fühlte mich sehr gut, und das Profil mit zwei langen Uphills und technischen Downhills kam mir sehr entgegen.“ Sie lacht: „In Downhills fühle ich mich wirklich sehr wohl, und je technischer, desto besser.“

Und deswegen freut sich die Titelverteidigerin bereits jetzt schon auf die World Mountain and Trail Running Championships 2023 Innsbruck-Stubai. „Das Profil ist hart, die Strecke mit 44 Kilometern etwas lang für mich, und auch wenn ich nicht weiß, wie technisch die Trails sind, ist es klar, dass es ein echtes Rennen in den Bergen ist.“ Dragomir wird einen Lokalaugenschein vornehmen, im kommenden April oder Mai. „Tirol ist ja von mir daheim nicht so weit weg.“ An 12-Stunden-Autofahrten ist sie längst gewöhnt.

“Mein Ziel ist es, in Tirol meinen Titel zu verteidigen. Alle anderen Wettbewerbe im Jahr 2023 sind nachrangig. Es freut mich sehr, Botschafterin der Weltmeisterschaften sein zu können, und ganz ehrlich, es ist eine zusätzliche Motivation für mich, noch besser zu trainieren und ein noch besseres Rennen zu bestreiten!“

Doch Motivationsprobleme sollte die Rumänin ohnehin nicht haben: „Ich denke nicht daran, gewinnen zu müssen, denn zuerst einmal liebe ich, was ich mache. Laufen ist eine Art Therapie für mich, wenn ich draußen unterwegs bin, dann kann ich alle anderen Gedanken und Probleme zur Seite schieben und bin ganz bei mir. Und wichtige Siege lassen mich nicht faul, sondern im Gegenteil noch engagierter werden.“

So trainiert sie nach zwei Trainingsplänen, einen für flaches Gelände, einen für die Berge, und sie kommt auf zwischen 200.000 und 300.000 Höhenmeter pro Jahr „Sicher nicht mehr. Aber es fällt mir trainingstechnisch nichts schwer. Wie gesagt, ich liebe, was ich tue!“

© WMTRC 2021 Chiang Mai, privat, Mihai Ștețcu, Attila Szabo