Wer das sagt, ist der aktuell wohl prominenteste Ultra-Trailläufer aus dem Stubai. Christian Stern hat im Juli 2022 den city2glacier gewonnen, einen mit 5000 Höhenmetern garnierten 67 Kilometer-Lauf von Innsbruck hinein durch „sein“ Tal, hinauf in die Gletscherregion auf über 3100 m. „Diesen Wettbewerb zu gewinnen war ein großes Ziel von mir. Da konnte mich auch ein Bänderriss auf dem Weg dorthin nicht stoppen“, sagt Stern.
Das nächste Ziel nennt sich World Mountain and Trail Running Championships und geht zwischen 6. und 10. Juni in Innsbruck-Stubai über die Bühne. Am vorletzten Tag steht der „Trail long“ an, er wird über 85 km und rund 6000 Höhenmeter führen, also fast wie geschaffen für den Tiroler. Die Strecke kennt er (Stand Oktober 2022) noch nicht so genau, das Terrain sehr wohl. Es ist seine Heimat, sein Revier, sein Land, durch das er auf- und abläuft, auf der Jagd nach noch mehr Kilo- und Höhenmetern, nach besserer Form, dem nächsten Erfolg. „Der Heimvorteil kann schon ein recht großer Vorteil darstellen“, sagt er, „zum einen kenne ich die Gegend, zum anderen würden am Wettkampftag da wohl sehr viele stehen, die mich kennen und anfeuern. Doch um im Vorderfeld einer WM zu landen, muss schon alles passen.“
Wenn der Kurs in einem ständigen Auf und Ab dahingeht, wie beispielsweise in der Sillschlucht bei Innsbruck oder auf dem Stollensteig bei Telfes, fühlt sich Christian Stern am wohlsten; bergab hat er, wie er selbst eingesteht, noch Verbesserungspotenzial. Und zuweilen soll es halt nicht sein, aufgrund verletzungsbedingten Trainingsrückstands gab er beim Ultra Trail du Mont Blanc 2022 auf: ein super-Erlebnis, aber zum Scheitern verurteilt. Egal, er wird wiederkommen.
Doch zuvor steht die Weltmeisterschaft an, und er wäre nicht der erste Stern aus Stubai, der eine Medaille gewinnen würde bei vergleichbaren Titelkämpfen. 1990 holte Florian Stern Silber im Berglauf, und Andreas Stern ist nicht nur Chef des traditionellen Schlickeralmlaufs, sondern war und ist selbst ein herausragender Läufer. „Mit ihnen bin ich weitschichtig verwandt, und sie haben mich sicherlich auch inspiriert“, erzählt Stern. „Doch ich bin erst spät zum Laufsport gekommen, vorher spielte ich Fußball – zu dieser Zeit habe ich alle jene, die 10, 15 Stunden am Stück unterwegs waren, nicht richtig ernst nehmen können.“ Dann wurde 2017 der Stubai Ultra aus der Taufe gehoben, und Stern – Halbmarathon-PB 1:12 Stunden, Marathon-PB 2:40 Stunden – wurde zum (Ultra-)Läufer.
„Ich laufe für mein Leben gerne, nicht nur wenn ich trainiere, sondern auch dann, wenn ich private oder berufliche Gänge zu erledigen habe und es zeitlich möglich ist. Laufen ist in der Tat mein Leben!“
Vom Laufen leben kann er nicht, wohl auch, weil er von seiner Art her nicht der Typ ist, der sich groß verkaufen kann oder will. Somit gibt’s zwar keine Ausrüster und Sponsoren, dafür die Freiheit, jene Schuhe zu laufen, die er mag, aktuell jene von Hoka und Altra, und die Gewissheit, niemandem Rechenschaft schuldig sein zu müssen.
Das passt alles ganz gut in das Leben und die Lebensphilosophie des Christian Stern. Coach hat er keinen, Trainingspläne und -steuerung macht er sich selbst. In einer gemeinen Trainingswoche kommt er auf, sagen wir: 80 Kilometer und 5000 Höhenmeter, wer weiß das schon so genau, Stern jedenfalls nicht, „ich schaue mir nicht immer meine Statistiken an“. Mental stark und ein Beißer ist er, einen Saumagen, der alles verträgt, hat er auch. Die WM-Teilnahme wäre ein, oder vielleicht: das, Highlight seines Läuferlebens. „Ich würde in diesem Wettbewerb alles geben, um mir danach nicht vorwerfen zu müssen, nicht alles gegeben zu haben.“
Fotos: © Sportograf/sportograf.com
Kurz-Steckbrief
Christian Stern, Österreich, geboren am 18.3.1980 in Innsbruck, wohnhaft in Neustift, läuft für den SV Raiba Stubai. Erfolge (Auswahl): 2022 Sieger beim Stubai Ultra, Zweiter beim IATF (K110); 2021: Zweiter beim Stubai Ultra, Dritter beim Osttirol Trail (80 km); 2019: Sieger beim Pitz Alpine Glacier Trail (106 km)